„Nach wie vor weit entfernt von einem ausgeglichenen Haushalt“ 5. April 2022 Erfreulich, dass die Stadt in 2021 mehr Steuern eingenommen hat und mehr Mittelzuweisungen vom Land bekommen hat. Unsere Stadträtin Sophie Schwer ordnet dieses erfreuliche Ergebnis in ihrer Rede ein: Noch immer ist die Finanzlage der Stadt alles andere als gut, noch immer erwirtschaftet der Haushalt nicht das nötige Geld für dringend benötigte Investitionen. Rede zu TOP 12: Mehrerträge/ –Zuweisungen aus Gewerbesteuer und dem kommunalen Finanzausgleich Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,liebe Kolleginnen und Kollegen,sehr geehrte Damen und Herren, Zunächst mal ist diese Vorlage äußerst erfreulich nachdem der letzte Haushalt extrem auf Kante genäht war. Wir hatten im Haushalt für das Kalenderjahr 2021 eine Kassenentnahme von rund 60 Millionen € eingeplant sowie eine Nettokreditaufnahme von insgesamt rund 90 Millionen €. Sie erinnern sich, dass die Stadt erstmals zu der Notmaßnahme gegriffen hatte, die Tarifsteigerungen weder bei den Ämtern, noch bei den Zuschüssen für freie Träger abzubilden. Auch die Maßnahmen zur Bauunterhaltung wurden erheblich gekürzt, was letztlich nichts weiter ist als zusätzliche indirekte Aufnahme von Schulden. Dass die im Jahre 2021 eingenommene Gewerbesteuer etwa 32 Mio Euro über dem Ansatz lag, zeigt, dass die Freiburger Wirtschaft – Corona zum Trotz – erstaunlich kraftvoll ist. Insbesondere der Steueranteil aus dem Bereich Gesundheit/Medizin beträgt mittlerweile fast 30% der Einnahmen. Wir sollten dringend an dem Projekt Gesundheitscampus weiterdenken, dass Gerda Stuchlik zusammen mit der Universitätsklinik und weiteren Akteuren im Gesundheitsbereich angedacht hat. Stadträtin Sophie Schwer (Bild: Britt Schilling) Mit diesen 32 Millionen mehr Einnahmen bei der Gewerbesteuer und rund 22 Millionen Mehrerträgen bei den Schlüsselzuweisungen und den Gemeindeanteilen an der Einkommens– und Umsatzsteuer, insgesamt 59 Millionen Mehreinnahmen, vermeiden wir die allerdings nur die für 2021 in der Not vorgesehene Kassenentnahme von rund 60 Millionen Euro meine Damen und Herren – mehr aber auch nicht. Einfach gesagt: Wir haben nicht Unmengen Geld über, wir haben weniger zu wenig. Wir sind nach wie vor weit entfernt von einem ausgeglichenen Haushalt der in der Lage wäre, auch nur die sehr reduzierten Investitionen aus den laufenden Ertragsüberschuss zu finanzieren. Einige in diesem Hause sind der Auffassung, dass angesichts der Mehreinnahmen »irgendetwas Soziales« stattfinden soll. Die Fraktionen, die sich bei der Haushaltsverabschiedung im April 2020 sozusagen politisch verpflichtet haben, bei Mehreinnahmen die nicht weitergegebenen Tariferhöhungen nachträglich zu ersetzen, stellen jetzt entsprechende Anträge. Und darauf möchte ich gerne eingehen. Die Nicht-Übernahme der Tarifsteigerungen in den beiden vergangenen Haushaltsjahren war nicht nur für die freien Träger, sondern auch für die Beschäftigten in der Verwaltung und in den städtischen Gesellschaften ein harter Einschnitt. Die einzelnen Beschäftigten haben die Tariferhöhungen selbstverständlich ausbezahlt erhalten, die Ämter und die Einrichtungen mussten die Kürzung des Gesamtbudgets dann durch anderweitige Mehreinnahmen, Personaleinsparungen oder Überprüfung des Leistungsangebotes kompensieren. Jedoch, so ungewöhnlich und schwierig diese Maßnahme auch war: Es war ein Befreiungsschlag für den städtischen Haushalt, den die Betroffenen mittlerweile umgesetzt haben. Wir werden uns bei der Diskussion über den nächsten Doppelhaushalt ganz genau ansehen müssen, in welchen einzelnen Punkten wir nachsteuern müssen. Aber wenn wir diese Budgetkürzung zum jetzigen Zeitpunkt sozusagen im Gießkannen-Prinzip ganz oder in weiten Teilen zurücknehmen, müssen wir uns anschauen, was das heisst: dies wäre keine einmalige Belastung für den städtischen Haushalt. Allein die Nachzahlung der Zuschusskürzung an Freie Träger würde zu einem Aufwand von jährlich 5,5 Millionen Euro führen (das ist viel für einen kommunalen Haushalt) zuzüglich der darauf basierenden weiteren Erhöhungen, die auf dieser Basis in den Folgejahren kommen. Ich möchte hier drauf hinweisen: Derzeit läuft der sog. PIWI-Prozess, mit dem wir alle die Verwaltung beauftragt haben, strukturelle Einsparungen im Ergebnishaushalt in Millionenhöhe zu definieren. Es wäre für diesen Prozess völlig widersinnig, jetzt bereits umgesetzte Budgetkürzungen rückgängig zu machen. Vor allem mit Blick auf die nahe Zukunft: Dem Ergebnishaushalt drohen durchaus beachtliche Risiken. Kurzer Ausblick: In der mittelfristigen Finanzplanung sind die Tarifsteigerungen lediglich mit 1 % jährlich angesetzt. Angesichts der Inflation werden die Beschäftigten jedoch berechtigterweise auf wesentlich höheren Tarifsteigerungen bestehen. Auch eine Erhöhung der Zinssätze für Kreditzinsen kündigt sich an. Wegen des Ukraine-Kriegs steigen die Energiekosten rasant. Dazu kommen noch nicht abschätzbare Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten einschließlich der Betreuung von Kindern in Kitas und Schulen. Anders als der zurückliegende Haushalt 2021 muss der Ergebnishaushalt jedoch perspektivisch einen Überschuss erwirtschaften, der ohne Aufnahme neuer Schulden ausreicht, um die millionenschweren Investitionen zu finanzieren, etwa in Schulgebäude oder den Neubau von Kitas. Zu den Anträgen noch ein paar Worte: Ich halte es an sich für plausibel, statt Mehrausgaben im Ergebnishaushalt Investitionen vorzuschlagen, die bei der letzten Haushaltsverabschiedung gekürzt wurden, und die ohnehin auf der Agenda stehen. Allerdings ist jetzt definitiv nicht der Zeitpunkt, sämtliche Lieblingsprojekte wieder in Stellung zu bringen, und schon gar nicht vor der nächsten Haushaltsaufstellung, wo sich diese Projekte meiner Meinung nach in Konkurrenz zu anderen durchsetzen müssen. Wir haben dem Projekt West-Bad z.B. zugestimmt, und wir bleiben dabei, dass dies ein wichtiges Vorhaben für den Freiburger Westen ist. Allerdings stehen für uns auch noch die Sanierung der Gewerbeschulen, allen voran der Max-Weber-Schule, oder die weiterführende Schule am Tuniberg auf der Agenda. Und ich kann mich nur wundern, weshalb man zunächst einmal politische Profilierungsprojekte vor dem Haushalt auf den Weg bringt, während es dem Finanzbürgermeister überlassen bleibt, die von allen als eminent notwendig angesehenen Projekte in den nächsten Doppelhaushalt der Verwaltung einzustellen, oder eben auch nicht. Die Vorschläge zur Verwendung der Mittel, die die Verwaltung heute vorlegt, sind vernünftig. Die Bäder haben während der Corona-Zeit große Verluste eingefahren, die wir über die Stadtwerke-Holding auffangen müssen, ob wir wollen oder nicht. Die Mittel für Bauunterhalt beim GMF, beim ALW und beim GuT wurden in unverantwortlicher Höhe gekürzt, es ist sinnvoll da nachzusteuern. Die nebulöse Auflage des Regierungspräsidiums, 1,9 Millionen Euro aus dem Verkauf der Schloßbergnase, die überhaupt nicht ansteht, in den Eigenbetrieb Verwaltungszentrum und Staudingerschule einzubringen, sollte tatsächlich kompensiert werden. Und obwohl wir grundsätzlich der Auffassung sind, dass die Freiburger Stadtbau nicht zum selbstverständlichen Kostgänger des städtischen Haushaltes werden soll, sind wir einverstanden, wenn aus den Mehreinnahmen des Haushaltes 5 Millionen Euro dorthin fließen für das Projekt »Konzept FSB 2030«. Die Wohnungsfrage liegt uns allen am Herzen. Wir haben das Projekt Sulzburger Straße gestoppt, das der FSB Liquidität in Höhe von 7,7 Millionen Euro zuführen sollte. Wenn die Stadtbau ihren Auftrag erfüllen soll, wird diese Liquidität benötigt. Also: Wir begrüssen die Mehrerträge für 2021, für uns haben der Ausbau der Schulen und Kitas sowie der Klimaschutz Priorität und in diesem Kontext werden wir alle Projekte im kommenden Doppelhaushalt diskutieren. Danke für die Aufmerksamkeit.